Antifaschistische Demonstration: „Klare Kante gegen Transfeindlichkeit!“ - 13.04.2024 – Berlin

Antifaschistische Demonstration: „Klare Kante gegen Transfeindlichkeit!“ - 13.04.2024 – Berlin – _MG_6903

Am 13.04.2024 sind in Berlin-Weißensee rund 1.000 Menschen auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen Transfeindlichkeit und jede andere Form der Queerfeindlichkeit zu setzen. Der Protest richtete sich auch gegen die zunehmende Präsenz von Neonazis im Nordosten von Berlin. In den vergangenen Jahren hat sich die Gegend im Großbezirk Pankow zu einem Hotspot der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ und deren Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ)“ entwickelt.

Anlass für den Protest war ein Angriff auf eine trans Frau im vergangenen November. Diese wurde von einer Gruppe von Männern zunächst beschimpft und anschließend zusammengeschlagen. Die vier Angreifer verfolgten die Person noch eine Weile, ehe sie unerkannt entkommen. Die attackierte Person wurde schwer verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie erlitt Prellungen sowie ein Schädelhirntrauma. Der Angriff wurde von mindestes einer Person beobachtet, jedoch zeigte diese weder Zivilcourage noch holte sie Hilfe.

Zu dem Protest unter dem Motto „Klare Kante gegen Transfeindlichkeit!“ hatte ein Bündnis mehrerer antifaschistischen Gruppen aufgerufen. Dazu gehören unter anderem die antifaschistische Jugendgruppe „La Rage Berlin Ost“, die „North East Antifascists (NEA)“, der Feministischen Antifaschistischen Jugend Organisation Charlottenburg (F_AJOC), das „Offenes Antifa Treffen Marzahn-Hellersdorf (OAT Mahe) und die queerfeministische „Jugendantifa Weißensee“. Die Demonstration verlief friedlich und ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Rund 1.000 Menschen sind am 13. April 2024 in Berlin-Weißensee auf die Straße gegangen, um gegen Transfeindlichkeit, jede andere Form von Queerfeindlichkeit, rechte Gewalt, neonazistische Strukturen und Rassismus zu demonstrieren. Der Protest richtete sich gegen die zunehmende Präsenz von Neonazis im Nordosten von Berlin. In den vergangenen Jahren hat sich der Großbezirk Pankow sowie die angrenzenden Ortsteilen wie Weißensee zu einem Hotspot der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ und deren Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ)“ entwickelt.

Die Teilnehmer*innen nutzten die Demonstration aber auch, um ihren Unmut über das verabschiedete und zuvor lange aufgeschobenen „Selbstbestimmungsgesetzes“ zum Ausdruck zu bringen. Mit der gestrigen Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetz im deutschen Bundestag, wurde das in wesentlichen Teilen verfassungswidrige „Transsexuellengesetz (TSG)“ aus dem Jahre 1980 abgelöst. Aus Sicht der Bundesregierung soll es künftig einfacher machen für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen

Die Demonstrant*innen kritisieren jedoch, dass das neue Gesetz die entwürdigende und kostenintensive Prozedere zur Namens- und Personenstandsänderung in offiziellen Dokumenten zwar einfacher mache, jedoch durch die Hintertür neue diskriminierende Regelungen eingeführt wurde. So soll beispielsweise das Offenbarungsverbot des „alten“ Namens / Personenstandes gegenüber Sicherheitsbehörden keine Gültigkeit haben. Die Kritiker*innen des Selbstbestimmungsgesetzes fürchten, dass im Fall einer Machtübernahme durch rechte und/oder autoritäre Parteien, de facto Listen von transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen generiert werden können.

Lautstark brachten die Teilnehmer*innen ihren Unmut zum Ausdruck und forderten mehr politische und wirtschaftliche Gleichstellung, mehr Rechte und Gleichberechtigung von Frauen sowie aller Lebensweisen und Geschlechtsidentitäten, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung, Außerdem forderten sie das Recht auf Abtreibung für alle, bezahlte Schwangerschaftsabbrüche, kostenlose Verhütungsmittel, Schwangerschaftsbegleitung zum Wohl der Schwangeren und die Akzeptanz aller Geschlechter und sexueller Begehrensformen.

Anlass für die Demonstration ist war ein Angriff auf eine trans Frau im vergangenen Jahr. Damals wurde am Abend des 13. November 2023 wurde eine trans Frau in der Gartenstraße von einer Gruppe von Männern zunächst transfeindlich beschimpft. Kurz danach zogen die Angreifer an ihren Haaren und rissen sie damit zu Boden. Auf dem Boden liegend wurde sie verprügelt, bekam mehrere Schläge ins Gesicht, an den Kiefer und die Schläfen. Zudem bekam sie mehrere Tritte in den Bauch, ihre Rippen und in die Knie. Als sie sich wieder aufrappeln konnte, wurde sie von den vier Angreifern noch weitere 15 Minuten verfolgt. Anschließend tauchten die vier Täter unerkannt ab.

Die trans Frau wurde bei dem Angriff schwer verletzt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie dabei erlitt Prellungen sowie einen Schädelhirntrauma. Die bis zum heutigen Tag unbekannten Angreifer nahmen bei dem Angriff schlimme Verletzungen so wie andere schwerere psychische Folgen für die Angegriffene, wissentlich in Kauf. Umso schlimmer ist, dass der brutale Angriff von mindestens einer Person beobachtet wurde, diese griff jedoch weder ins Geschehen ein noch holte diese Hilfe. Stattdessen verschwand auch diese Person unerkannt und überließ der Frau ihrem Schicksal.

Diese brutale Qualität der Gewalt ist nicht neu, insbesondere nicht im Bezirk Pankow. Gerade hier hat sich die Gegend zu einem Hochburg der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ so wie ihrer Jugendorganisation „Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ)“ entwickelt. Beide Gruppierungen werden berlinweit immer aktiver, gehen auch auf Konfrontationskurs und werden zunehmen aggressiver, auch gegen queere Menschen. So beteiligten sich rund 30 Neonazis des Dritten Wegs im vergangenen Sommer an einer Störaktion gegen den Berliner Christopher Street Days (CSD). Dabei verfolgten die Neonazis eine Gruppe von vier Personen und bewarfen sie mit Glasflaschen. Diese flüchteten und wurden bei dem Angriff nicht verletzt.

In Zusammenhang mit dem Dritten Weg dokumentierte das Antidiskriminierungsprojekt „Berliner Register“ über 300 Vorfälle im vergangenen Jahr. Die Berliner Register sind nach den Bezirken der Stadt aufgeteilte Meldestellen und sie dokumentieren Fälle von Ausgrenzung und Diskriminierung im Berliner Alltag. Die Register verzeichnen seit einigen Jahren einen deutlichen Anstieg der gemeldeten rechten Vorfälle mit Bezug zur neonazistischen Kleinstpartei und deren Jugendgruppe.

Die rechte Kleinstpartei „Der III. Weg“ wurde 2013 gegründet und dient seither als Ersatzstruktur für verbotene neonazistische Organisationen und als Auffangbecken für langjährig aktive Neonazis. Die Partei versteht sich als elitäre Gemeinschaft und grenzt sich bewusst von anderen rechten Parteien ab. Statt traditioneller Parteipolitik steht der aktivistische „Kampf um die Straße“ im Mittelpunkt. „Der III. Weg“ will die bestehende Wirtschafts- und Staatsordnung durch einen „Deutschen Sozialismus“ als angeblich „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus ersetzen. Die Ideologie der Partei steht in nationalsozialistischer Tradition.

Gerade in Berlin hat der III. Weg und ihre Jugendorganisation NRJ ihre Strukturen in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Ihr Schwerpunkt liegt aktuell in Marzahn-Hellersdorf, aber auch andere Bezirke wie Lichtenberg, Pankow und Treptow-Köpenick nehmen ihre Aktivitäten deutlich zu. Mit dem Absturz der neonazistischen „Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)“ in die Bedeutungslosigkeit, hat der „Der III. Weg“ mehr an Stärke gewonnen. Durch die Eingliederung der JN Berlin und die Aufnahme von ehemaligen Mitglieder*inenn des NW Berlin (Nationaler Widerstand Berlin) verfügt die Partei über das Wissen langwieriger Aktivist*innen, die bereits seit über 20 Jahren aktiv sind und bis hinein in rechtsterroristische Kreise wirken.

Damit stellt die Partei und ihre Jugendorganisation ein massives Risiko dar. Insbesondere ihre ideologische Ausrichtung zum Nationalsozialismus verbunden mit einem klaren Körperkult ihrer Hinwendung und aktiven Einübung von Gewalt werden in den nächsten Jahren eine immense Gefahr darstellen. Zumal betätigen sich Mitglieder*innen der Partei auch sogenannte „Anti-Antifa-Arbeit“. Diese rechte Praxis beschreibt das gezielte Ausspähen und Sammeln von Informationen über politische Gegner*innen, wie zum Beispiel deren Adressen, PKW oder Arbeitsplätze. Diese Daten werden regelmäßig in sogenannten „Feindeslisten“ gesammelt, mit dem Ziel Betroffene einzuschüchtern oder anderweitig gegen sie vorzugehen.

Doch nicht nur die beiden neonazistischen Gruppen sind im Nordosten umtriebig, sondern auch der in Weißensee wohnhafte Leonard Jäger. Als „Ketzer der Neuzeit“ betreibt Jäger mehrere reichweitenstarke Social-Media-Kanäle und betreibt seit mehrere Jahren gezielte Desinformationen. Mittels dieser sollen vor allem die jugendliche Zielgruppe politisch indoktriniert werden. Während der COVID-19 hat er sich zunächst auf verschwörungsideologische Inhalte konzentriert, später erweiterte er seinen Content für auch christliche Fundamentalist*innen und Reichsbürger*innen. Jäger ist für seine ausgeprägte Queerfeindlichkeit bekannt und dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Hetze gegen queere Menschen mittlerweile sein Schwerpunkt bildet.

Zu der Demonstration unter dem Motto „Klare Kante gegen Transfeindlichkeit!“ hatten verschiedene antifaschistischen Gruppen aufgerufen. Darunter befinden sich die antifaschistische Jugendgruppe „La Rage Berlin Ost“, die „North East Antifascists (NEA)“, der „Offener Antifa Tresen (OAT)“, der Feministischen Antifaschistischen Jugend Organisation Charlottenburg (F_AJOC), das „Offenes Antifa Treffen Marzahn-Hellersdorf (OAT Mahe) und die queerfeministische „Jugendantifagruppe Weißensee (jaw)“.

Die Demonstrant*innen versammelten sich am Nachmittag auf dem Weißenseer zur Auftaktkundgebung. Kurz vor 16.00 Uhr setzte sich der Aufzug über die Berliner Allee in Richtung Weißer See in Bewegung. Kurze Zeit später bogen die Teilnehmer*innen in die Herbert-Baum Straße ein und über die Bizetstraße und Smetanastraße ging es wieder zurück auf die Berliner Allee. In der Lindenallee bogen die Demonstrant*innen wieder ein und in der Bizetstraße stoppte die Versammlung für eine längere Zwischenkundgebung. Thematisiert wurden bei den Reden unter anderem über die Aktivitäten des rechten YouTuber Leonard Jäger. Nach der Kundgebung zogen die Demonstrant*innen weiter und bogen in die Indira-Gandhi-Straße ab und es ging weiter bis zur Berliner Allee. Kurz vor der Wegenerstraße endete die Veranstaltung mit einer Abschlusskundgebung.

Während der Demonstration kam es am Rande wiederholt zu kleinere Konflikten und Wortgefechten mit dem rechten Medienaktivist Stephan Böhlke sowie einem Kamera-Team, dem eine Nähe zum „Ketzer der Neuzeit“ vorgeworfen wurde. Mehrere Teilnehmer*innen hinderten sie mit aufgespannten Regenschirmen am Filmen sowie das Interviewen von Demonstrant*innen. Kurz vor dem Ende der Demonstration wurde Böhlke von der Polizei festgenommen. Nach Aussagen von einigen Teilnehmer*innen soll er um sich geschlagen und getreten haben. Auch der rechte Medienaktivist „Billy Six“ tauchte gegen Ende auf und filmte unter anderem mit seinem Smartphone.

Quellenangaben / Aufruf:
• antifa-nordost.org/13980/demo-gegen-transfeindlichkeit/
• queere-jugend-berlin.de/event/kundgebung-nach-transfeindl...
• www.endstation-rechts.de/news/ketzer-der-neuzeit-gezielte...
• www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/queerpolitik-u...

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Stand: November 2022

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