The Dawn
HKD
Die Entdeckung
Eines Tages laufen Dinge schief und ziehen dich in einen Strudel, bis du ängstlich und verzweifelt am Boden liegst und zu verstehen beginnst, welcher Irrsinn hier abläuft und welche Schwächen dich straucheln ließen. Unbewusste und unkontrollierte Emotionen: Eifersucht, Dominanz, Begierde, Rache oder andere subtile Gefühle wie Missgunst oder Ungeduld.
Die Dinge richten sich nicht mehr nach deinen Vorstellungen, auch wenn du noch so sehr versuchst, sie zu deinen Gunsten zu manipulieren. Die Umstände haben sich gegen dich verschworen, doch heimlich bereitet sich deine Befreiung vor, während du einige wichtige Entdeckungen machst.
All deine Pläne und Hoffnungen sind zerbrochen, die Träume endgültig verflogen, und du willst sie auch gar nicht mehr durchsetzen. Du hast genug von all den Kämpfen um Ehre und Anerkennung, genug von einer Jagd, die darum geht, die Vorstellungen, die du von dir selbst hast zu erfüllen. Du erkennst, dass du kein Spitzenreiter wirst, erkennst, dass der Beifall den du dir erhoffst, für immer ausbleiben wird. Und das ist gut so, wie du sehr bald entdeckst.
Du begreifst, dass es keinen Sinn macht, von Autoritäten, die du selbst auf den Sockel hebst, Anerkennung und Belohnung zu erwarten. Du beginnst zu erkennen, dass du es bist, der sich die Anerkennung schenken muss, um wirklich frei zu werden.
Doch wie kannst du dich akzeptieren mit all deinen heimlichen und öffentlich gewordenen Schwächen? Du begreifst, dass du an deinem Selbstbild arbeiten musst, dass du ein Idealbild von dir geliebt hast und nicht dich, wie du wirklich bist. Du erkennst, dass du dir etwas vorgemacht hast und du gelobst, dass du dich kennenlernen und akzeptieren willst, wie du wirklich bist, mit allem Licht und Schatten.
Damit beginnt die Reise zu dir selbst und du lernst, dass dich deine Erwartungen an Menschen, an Situationen und an dich selbst behindern, dass sie zu klebrigen Vorstellungen werden, je länger du sie hegst. Du anerkennst, dass es deine Erwartungen sind, vor denen du dich hüten musst und es übergriffig ist, wenn andere sich an deine Vorstellungen anpassen sollen.
Du erkennst, dass der Versuch, die Nummer eins zu werden, um dich herum Verlierer und Gegner geschaffen hat von denen viele dein Straucheln ersehnten. Du wolltest ihnen beweisen, dass du es besser kannst und hast dich in deine trotzige Kraft verbohrt.
Doch Widerstand hat einen hohen Preis: Endloses Kämpfen hat dein Herz verschlossen. Das entdeckst du in Augenblicken, in denen du vom Schicksal getroffen und deiner Seele nahe bist. Die Stimme deines Herzens spricht zu dir und du erkennst, dass du sie zu selten hörst und gelobst, die Kommunikation mit deinem inneren Kind zu verstärken und mehr auf seine Stimme zu hören. Und so lernst du, immer mehr dem zu folgen, was dir Freude bereitet.
Die Selbstliebe wächst weiter und Entspannung wird dir immer wichtiger. Anspannung und Anstrengung verschließen die Seele. Sie schottet sich ab, wenn sie auf Aggression mit Aggression antwortet. Es geschieht dir immer einmal wieder, doch du erkennst Rache als Gift für deine Seele und vermeidest diese Kost, wie du giftige Nahrung für deinen Körper meidest.
Öffnende Aktivitäten gehören zu guter geistiger Nahrung, darum wird dir Toleranz wichtiger als Eigensinn. Du versuchst nicht mehr ständig, die Situationen zu deinen Gunsten zu manipulieren und verzichtest so weit wie möglich auf Beurteilungen.
Dennoch ertappst du dich immer wieder bei Vorurteilen und Selbstablehnungen. Es fehlt noch die geistige Disziplin, dich von Selbstverurteilung zurückzuhalten. Aber gerade mit dem was du nicht kannst und nicht bist, entwickelst du mehr und mehr Geduld. Du versprichst dir, dir ebenso viel Geduld zu schenken, wie du sie für andere aufbringst.
Wie umfangreich und tief deine Selbstverurteilung geht und ging wird dir zunehmend bewusst, und du entschuldigst dich bei dir selbst für die Grobheiten, die du dir und deinem Körper zugemutet hast. Du entschuldigst dich für die Gleichgültigkeit deinem inneren Kind gegenüber und versprichst ihm mehr Zuwendung. Du suchst Nähe und Zärtlichkeit und wirst lernen diese zu geben und nicht nur zu fordern. Und du sorgst für ausreichend frische Luft und Bewegung, gute Ernährung und für den Geist erhellende Lektüre.
Du verschwendest deine Intelligenz nicht mehr an Prestigeobjekte, an die Auswahl der richtigen Produkte oder in politischen Manipulationen. Allzu deutlich siehst du bei anderen die Eitelkeit, die Lügen, Heucheleien, die Falschheiten, und langsam wächst deine Anerkennung für dich selbst, denn endlich kannst du zugeben, dass du dich nicht nur beim Pokern durch Täuschungsmanöver bereichert hast.
Reue wächst durch Erkenntnis und du bedauerst deine fahrlässigen Handlungen und zeigst dir selbst gegenüber Verständnis für diese menschliche Schwäche. Vergebung gebührt nicht nur anderen, die ihren Instinkten erlagen, sie gebührt auch dir, und du nimmst dir vor, dir alle Vorwürfe, die du dir selbst im Leben je gemacht hast, zu verzeihen, denn dir wird klar, dass übermenschliche Kräfte in dir wirken und dein Schicksal steuern. Dennoch übernimmst du die Verantwortung für dein Tun und suchst keinen Sündenbock mehr für die Umstände in denen du gerade steckst.
Du stößt in dir auf die verschiedensten Neigungen, die in ihrer Intensität zu- und abnehmen, und du erkennst, dass Verliebte den Verstand verlieren. Du lernst, deine Verliebtheiten ebenso zu tolerieren wie du sie bei anderen verständnisvoll lächelnd annimmst.
Liebe folgt ihren eigenen Gesetzen, daher siehst du ein, dass du zu weit gehst, wenn du von anderen verlangst, dass sie dir treu sein sollen bis in den Tod. Zukunft lässt sich nicht in Klauseln festlegen und du erfährst, dass Planung und Kalkül in Sackgassen führen und das einzig Sichere der stetige Wandel ist. Dem unterliegen auch Zuneigung und Abneigung.
Du spürst, dass dir die Anstrengung zu groß wird, Liebe zu heucheln oder Weitherzigkeit und Großzügigkeit spielen zu müssen.
Heuchelei ist der Tod der Liebe, das hast du erfahren, darum verzichtest du auf Pokerspiele und offenbarst dich auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden. Authentizität tritt für dich an erste Stelle, denn du hast gelernt, dass jede Verstellung, jede Maskerade den Körper verspannt, den Geist verkrampft und damit das Ego in seiner unehrlichen Haltung festigt.
Und weil du immer tiefer in deine Ego-Struktur, ihre Akzeptanz und damit in die erwachende Selbstliebe eindringst, kannst du auch andere Menschen in ihrer Struktur lassen und akzeptieren wie sie sind. A, B, C oder Y. Jeder Charakter ist ebenso wichtig wie ein einzelner Buchstabe im Alphabet.
Weil du das erkennst, gibt es keine besseren oder schlechteren Menschen mehr. Und auf diese Weise bist auch du kein schlechter Mensch mehr, sondern einfach nur menschlich.
Daher wird dir das Werten und Bewerten nicht mehr wichtig. Jeden Buchstaben liebst du für seine Aufgabe im Alphabet und darüber bist du glücklich, denn auf diese Weise verlässt dich der trennende Hass.
Alles ist an seiner Stelle angebracht und nützlich, und das wird dir zur Basis deiner Toleranz gegenüber anderen und auch gegenüber dir selbst.
Und plötzlich erkennst du deinen größten Sieg, den Sieg über deinen mächtigsten Feind: Deinen inneren Dämon, den Widersacher, den Nein-Sager, der dir Selbstablehnung bis zum Selbsthass eingibt. Hass wird niemals durch Hass besiegt.
Hass versiegt durch die Liebe. Es ist kein üblicher Sieg durch Kampf, es ist ein Vorgang der Erlösung. Deine Selbstverurteilung und deine Selbstkasteiung lösen sich mit aufsteigender Erkenntnis und Selbstliebe in deinem Herzen auf.
Noch während der Nacht, in der du dich selbst erniedrigst und dem Weg der Opferung des Eigenwillens folgst, eilt die Sonne der Liebe ihrem Aufgang entgegen.
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