16. GEDENKMARSCH ZU EHREN DER AFRIKANISCHEN / SCHWARZEN HELD*INNEN UND OPFER DER MAAFA*
[*Versklavung, Kolonialismus, Neokolonialismus, Genozide, Ökozide, Nazismus & Rassismus]
Am Sa. 26.Februar 2022, 11 Uhr, ab: Wilhelmstraße 92, 10117 Berlin
Zum 16. Mal in Folge rief das Komitee für ein afrikanisches Denkmal in Berlin (KADIB), vertreten durch die African / Black Community (ABC), zum jährlichen Gedenkmarsch zu Ehren der afrikanischen / Schwarzen Held*Innen und Opfer der Maafa auf. Der Begriff „Maafa“ stammt aus dem Kiswaheli und bedeutet „Die Große Zerstörung“ in Afrika, sprich: Versklavung, Kolonialismus und Genozide, Neokolonialismus und Ökozide, Nazismus und Rassismus.
Rund 100 Menschen beteiligten sich am diesjährigen Gedenkmarsch. Das Motto des diesjährigen Gedenkmarsches lautete #UnitedWeRise“.
Der Gedenkmarsch begann an der Wilhelmstr. 92 mit einer Kranzniederlegung und dem Singen der panafrikanischen Hymne, diesmal durch Kinder der Berliner Community sowie mit Redebeiträgen.
Auf dem Foto: Singen der panafrikanischen Hymne
Auf Einladung des Deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck begann die ominöse „Berliner Afrika-Konferenz“ am 15. November 1884 in Berlin (Reichskanzlerpalais, Wilhelmstraße 77) und endete dort am 26.Februar 1885, also vor genau 137 Jahren.
Nach weiteren Zwischenkundgebungen in der Anton-Wilhelm-Amo-Straße (mit einem Beitrag über die Lebensgeschichte von Anton Wilhelm Amo ) und Unter den Linden endete der Gedenkmarsch mit einer langen Abschlusskundgebung am Humboldt-Forum. Insgesamt dauerte der diesjährige Gedenkmarsch etwa vier Stunden.
Mit Nachdruck formulierte KADIB / ABC ihre jahrzehntelange Forderung: die Einrichtung eines zentralen Denkmals in Berlin als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus. Protestiert wurde ebenso gegen Koloniale Kontinuitäten, gegen den Rassismus auf allen Ebenen aber auch gegen die rassistische und tödliche Migrationspolitik Europas gegenüber Afrika.
„Während wir marschieren, werden die Gebeine unserer Vorfahren und die Artefakte, die unsere Kulturen und kulturellen Reichtümer bewahrt haben, immer noch in deutschen / europäischen Museen ausgestellt. Wir fordern die Rückführung von allem, was von Deutschland aus Afrika gestohlen wurde“ betonte folgerichtig jahrzehntelang der Initiator des Komitees für ein afrikanischen Denkmals in Berlin (KADIB), Prof. Kapet de Bana† (RIP).
Die beteiligten Verbände, Organisationen und Initiativen fordern seit langem, auch in diesem Jahr, nicht nur die Errichtung eines zentralen Denkmals als Erinnerungs- und Lernort zum Kolonialismus und Neokolonialismus, sondern darüber hinaus: die umfassende Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte und ihrer Kontinuitäten sowie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit institutionellem und strukturellem Rassismus, wie es auch in der Agenda 2025 der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) steht. E
benso, wie die UN-Dekade für die Menschen mit afrikanischen Vorfahren (2015-2024) fordert.
Teile der Forderungen wurden in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommen:
„Um die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte voranzutreiben, unterstützen wir auch die Digitalisierung und Provenienzforschung des kolonial belasteten Sammlungsgutes und dessen Zugänglichmachung auf Plattformen. Im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften streben wir Rückgaben und eine vertiefte ressortübergreifende internationale Kooperation an. Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext. Außerdem entwickeln wir ein Konzept für einen Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus.“
[Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, S. 125, Kapitel VI, Abschnitt „Koloniales Erbe“]
Begrüßt wurde außerdem die Ankündigung der Bundesregierung über die längst fällige Rückführung geraubter („heiliger“) sog. Benin-Artefakte nach Nigeria.
Dennoch lagern viele spirituelle Artefakte, Schätze und Statuen afrikanischer Glaubenssysteme und Kunstwerke wie die Ngonnso-Skulptur, die den Ursprung des Nso-Volkes aus Kamerun darstellt, noch immer im Ethnologischen Museum im Humboldtforum sowie in Kellern in Berlin und anderswo in Deutschland.
Redner:innen forderten die Bundesregierung zur raschen inklusiven Umsetzung der o. g. Vereinbarung im Koalitionsvertrag auf. Denn: Sie fürchten aus mehr als 500 Jahren Erfahrung doch, dass solche Ankündigungen wie die der neuen Bundesregierung am Ende nur Lippenbekenntnisse bleiben. Die neue Bundesregierung muss ernsthafte Taten erkennbar folgen lassen: „Alles über uns ohne uns ist gegen uns!“
Der Gedenkmarsch spannte um einen weiten Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart:
534 Jahre nach Beginn der Maafa in Afrika. 500 Jahre nach Beginn der Transatlantischen Versklavung. 137 Jahre nach Besiegelung der Transformation von Versklavung in Kolonialisierung Afrikas (Berliner Afrika-Konferenz). 117 Jahre nach den unbeschreiblich grauhaften Genoziden der Deutschen an den Herero und Nama im heutigen Namibia. 77 Jahre nach der Zwangsrekrutierung und Zwangsbewirtschaftung Afrikas im Zweiten Weltkrieg und der Internierung und Ermordung von Schwarzen in KZ’s in Deutschland – ausgetrickst, ausgegrenzt, ausgebeutet, missbraucht und getötet, undokumentiert und vergessen. 60 Jahre nach der Ermordung von Patrice Lumumba im Kongo. Mehr als 45 Jahre nach dem Soweto-Massaker im Apartheidsüdafrika. 92 Jahre nach der historischen antikolonialen und antirassistischen Aba-Frauenrevolte (auch als „Frauenkrieg“ genannt) im Südosten des heutigen Nigerias. 57 Jahre nach der Ermordung von Malcolm X (USA) und 54 Jahre nach der Ermordung von Martin Luther King (USA). 31 Jahre nach dem Mord an Amadeu Antonio in Eberswalde. 21 Jahre nach der Hinrichtung des Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa (Nigeria) und acht seiner Mitstreiter. 17 Jahre nach der Ermordung von Oury Jalloh in Dessau. 13 Jahre nach der Ermordung von Marwa El-Sherbini in Dresden. 11 Jahre nach dem Mord an Christy Schwundeck im Job Center Frankfurt am Main. Acht Jahre nach Lampedusa. Drei Jahre nach der Ermordung von Marielle Franco in Rio de Janeiro, Rita Awour Ojungé in Hohenleipisch und des Psychiatriepatienten William Tonou-Mbobda in Hamburg-Eppendorf. Mehr als eineinhalb Jahre nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis (USA). Um einiges zu nennen.
© Bernd Sauer-Diete